Ein blutverschmiertes Kleid, ein Messer in der Hand, das Gesicht vom Wahnsinn gezeichnet. Lucia hat noch in der Hochzeitsnacht ihren Gatten ermordet. Geliebt hat sie einen anderen und liebt ihn noch – den, mit dem sie sich auf dem Höhepunkt ihres Wahnsinns vereint sieht und dem sie in den Tod vorausgehen will: Edgardo. Der aber ist der Erzfeind ihres Bruders. Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten im Schottland des 16.Jahrhunderts liefern sich zwei Familien einen erbitterten Kampf um Ehre, Macht und Geld. Lucia wird zum Spielball dieses Privatkriegs. Für sie ist eine politisch günstige Heirat vorgesehen. Sie willigt in die Zwangsheirat ein. Doch die Qual, wie über sie verfügt wird, wie ihr das Menschsein durch die Ränke ihres Bruders abgesprochen wird, und die nicht gelebte Liebe zu Edgardo brechen schliesslich nicht nur ihr Herz, sondern auch ihre Seele.
Für diesen erschütternden Moment eines letzten Befreiungsakts einer Frau aus den Unterdrückungsmechanismen einer Familie hat Gaetano Donizetti eine der berückendsten Arienszenen der Opernliteratur des 19. Jahrhunderts komponiert. Gerade diese Wahnsinnsszene ist es auch, die bei der Uraufführung 1835 in Neapel mitverantwortlich zeichnet für den Durchbruch Donizettis im tragischen Opernfach. Der französische Regisseur, Schauspieler und Autor Olivier Py wird die tragische Liebesgeschichte in Szene setzen. Py scheut in seinen feinfühligen und klugen Inszenierungen weder grosse Bilder noch grosse Emotionen. Der künstlerische Leiter des Festival d’Avignon hat das Basler Publikum zuletzt im Frühjahr 2016 mit Verdis «Macbeth» begeistert. Die musikalische Leitung liegt in den Händen des italienischen Dirigenten und Belcantospezialisten Giampaolo Bisanti. Er hat schon mehrfach mit seiner Interpretation von Donizettis «Lucia di Lammermoor» brilliert – u.a. in Tokio und an der Semperoper in Dresden. In Basel wird er seiner Leidenschaft für dieses Werk ein weiteres Mal Ausdruck verleihen und tief in die musikalische Welt der Schauerromantik vordringen.