Schauspiel von Johann Wolfgang Goethe mit einem Prolog von Ann Cotten
Stückinfo
Über sechs Jahrzehnte erstreckte sich Goethes Auseinandersetzung mit dem Faust-Mythos. Als er zwischen 1772 und 1775, parallel zur Arbeit an seinem «Werther», die erste Bearbeitung der mittelalterlichen Fabel, die ihn so tief beeindruckt hatte, erstellte, konnte er nicht ahnen, dass ihn dieser Stoff bis an sein Lebensende 1832 verfolgen würde: 1808 wurde «Faust. Eine Tragödie» veröffentlicht, erst posthum erschien «Der Tragödie zweiter Teil». Die einzige erhaltene Abschrift des «Urfaust» wurde 1887 entdeckt; seither ist die Entwicklungsgeschichte des wohl berühmtesten Werks der deutschsprachigen Dramenliteratur um einen entscheidenden Schritt transparenter geworden.
Es ist vor allem ein Trauerspiel der Liebe, das der junge Goethe in seiner frühesten, zwischen Vers- und Prosaform changierenden «Faust»-Fassung entwirft. Die Rolle, die Mephistopheles hier spielt, unterscheidet sich erheblich von jener, die ihm in der Ausarbeitung von 1808 zukommen wird: Pakt und Wette zwischen dem Teufel und dem an der Theorie ergrauten Gelehrten finden nicht statt. Mephisto leistet bloss Vorschub zum Unglück, auch Hexenküche und Walpurgisnacht sind noch nicht Teil des «Urfaust»-Spiels. Aber viele Vorformen und teilweise überraschend exakte Entsprechungen der späteren Tragödie, vom Gelage in Auerbachs Keller bis zur finalen Gefühlsraserei der Kerkerszene, sind in diesem frühen Text zu finden – insbesondere Fausts unselige Beziehung zu Margarethe wird bereits in allen Details ausgeleuchtet. Verführt von Faust, endet sie als Sünderin und Mörderin wider Willen im Wahn. Die Gretchenfrage nach der Religion, die sie ihrem Heinrich gestellt hat, beantwortet sie am Ende kompromisslos: Sie verweigert sich ihm, der sie aus dem Gefängnis retten will, um sich dem Gericht Gottes, somit dem Tod, den sie verdient zu haben glaubt, anzuvertrauen.