Nur noch wenige Kilometer trennt die Flotte des in Troja siegreichen griechischen Königs Idomeneus von seiner Heimat Kreta, als er mit seinem Gefolge in ein Unwetter gerät. 79 Schiffe gehen unter, nur seines erreicht das Ufer. Die Rettung verdankt der Held seinem verhängnisvollen Handel mit einer göttlichen Stimme. Er verspricht nichts weniger als ein Menschenopfer, um sein eigenes Leben zu retten: Er wird das Lebewesen, dass ihm auf Kreta als Erstes begegnet, töten. Dass er das Leben seines eigenen Sohnes zum Tausch gegen sein eigenes anbietet, weiss er noch nicht. Denn ausgerechnet dieser ist als Erster am Strand, als der lang erwartete Vater ankommt. Wird Idomeneus sein Versprechen halten?
Wie die Geschichte ausgeht, ist nicht eindeutig überliefert: Während die Flotte in Homers "Ilias" sicher nach Hause segelt, opfert Idomeneus in der Überlieferung von Apollodorus den Sohn und wird aus Kreta vertrieben, in Mozarts Oper "Idomeneo" kann das Orakel im letzten Moment besänftigt werden. Roland Schimmelpfennig mach die Vielzahl an Varianten des Mythos zum erzählerischen Prinzip: In 18 scharf voneinander getrennten Szenen spielt ein Chor von Frauen und Männern unterschiedlichen Alterst in wechselnder Besetzung mögliche Fortsetzungen der "Idomeneus"-Überlieferung durch und evoziert in packenden Bildern, was die Folgen des fatalen Versprechens sein könnten. Sein sprachlich und rhythmisch hoch präzises Gedankendrama stallt das unausweichlich Tragische gleichberechtigt neben die Hoffnung auf eine glückliche Wendung.
Roland Schimmelpfennig ist der derzeit meistgespielte deutschsprachige Dramatiker und hat im März 2016 seinen ersten Roman vorgelegt. Nach der Uraufführung seiner "Bacchen" in der Spielzeit 2015/2016 war "Idomeneus" zum ersten Mal in der Schweiz zu sehen. Es inszenierte der Belgrader Regisseur Milos Lolic, der in der vergangenen Spielzeit "Heuschrecken" von Biljana Srblijanovic am Theater Basel gezeigt hat.