«Ich habe zuviel Wirklichkeit» (E.T.A. Hoffmann)
Ein Schriftsteller, drei Frauen, drei Erzählungen: In seinem Berliner Stammlokal trinkt Hoffmann, der Dichter. Begleitet von seiner Muse, umgeben von ausgelassenen Gästen. Auch Lindorf ist da, der finstere Stadtrat. Der hofft auf Hoffmanns frühere Geliebte. Und diese ist keine Geringere als … Stella! Stella, die berühmte und umjubelte Operndiva wird von der trinkenden Gesellschaft erwartet, als Star des Abends, gerade singt sie noch in der benachbarten Oper. Die Warterei auf die Ersehnte soll Hoffmann mit Erzählungen aus seinem Werk verkürzen und der lässt sich nicht lange bitten – doch: Unversehens präsentiert sein Phantasieren Episoden aus des Dichters Liebesleben. Mit Olympia begehrte er irrtümlicherweise einen Automaten, die Künstlerin Antonia sang sich tragisch zu Tode und mit Giulietta liebte er eine trügerische Kurtisane …
Hoffmann erzählt von seinem grössten Liebesglück und seiner tiefster Verzweiflung, von Sehnsucht nach Erfüllung und bitteren Enttäuschung, sein Erzählen gilt Stationen des Scheiterns, mit finsteren Gegenspielern und unerreichbaren Geliebten. Der Dichter trinkt und schreibt, weil er schreiben muss … zugleich will er leben und lieben. Derart wandelnd auf den verschwimmenden Grenzen zwischen Realität, Traum und künstlerischer Imagination produziert er sich und sein Werk, Literatur und Leben am Abgrund.
Elmar Goerdens Arbeit führt das Publikum durch eine Erzählung des Erzählens, diese wird zum road trip durch eine Aussenwelt, in der sich Innenleben und Phantasie Hoffmanns beständig neu erschaffen. Im Mittelpunkt, als Erfinder und Gezeichneter seines Geistes: Hoffmann, der Künstler. Zerrissen zwischen Wunsch und Realität, Entsagung und sprühender Lebenslust.
Jacques Offenbachs (1819-1880) letzte, unvollendet gebliebene Oper «Les contes d’Hoffmann», uraufgeführt 1881, verdichtet Erfindungen, Figuren und Motive aus dem Werk des romantischen Dichters E.T.A. Hoffmann (1776-1822) und ist eine Oper über Kunst und Künstlertum, über Psyche, Phantasie und das Leben der Seelen angesichts des Schicksals der modernen Gesellschaft. Aus dem gleichnamigen, gemeinsam mit Michel Carré (1821-1872) entwickelten Theaterstück formte Jules Barbier (1825-1901) das Libretto für Offenbachs Komposition. Der, als Genie der Operette geliebt und verachtet, komponierte in künstlerischer und gesellschaftlicher Einsamkeit am Ende seines Lebens diese Opéra fantastique als grossangelegte seröse Oper. Ihre Vollendung wurde von Offenbachs Tod kurz vor der Uraufführung verhindert. Das hinterlassene Material bezeugt Phantasie und Könnerschaft seines Komponisten und führt den Hörer durch einfühlenden Lyrismus, Parodie und Satire, versammelt Erfahrung von Alptraum und Dämonie und wartet mit grandiosen Klangekstasen auf. Dieses wunderbar-abgründige Vermächtnis gehört zu den bedeutendsten Kompositionen für Musiktheater des späten 19. Jahrhunderts, es ist eine grosse Hommagen an Literatur und Kunst E.T.A. Hoffmanns und erklingt zur Spielzeiteröffnung des Theater Basel mit dem Sinfonieorchester Basel unter der musikalischen Leitung von Enrico Delamboye.
Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung zur Förderung der Basler Theater.