Alfreds Döblins berühmter Roman von 1929 über den Versuch des Zement- und Transportarbeiters Franz Biberkopf, ein neuer Mensch zu werden, bedient sich konsequent der innovativen Technik der Montage. Das Bewusstsein des Franz Biberkopf wird zum Schirm, auf dem sich das Leben der Grossstadt spiegelt und immer neu aus hunderten von Elementen zusammensetzt: Bilder, Sätze, Schlagertexte, Werbung, lückenhafte Informationen und politische Lügen – Bewusstseins-Theater Berlin Alexanderplatz. «Ich bin eine Strassenkreuzung», wird Lévi-Strauss später über seine Forschungen schreiben. Bei Döblin ist Franz Biberkopf, ein Angehöriger des Prekariats, das avancierte Bewusstsein, das uns eine angemessenere Weltbeschreibung liefert als Realismus und Psychologie.
Fast alles, was geschieht, unterminiert Franzens Vorsätze der Besserung. Frauen spielen dabei eine grosse Rolle: die verheiratete Minna, die Polin Lina, die Prostituierte Mieze. Schon bald erliegt Franz der Faszination des Zuhälters Reinhold, der es nicht gut mit ihm meint, von dem er sich aber nicht lösen kann, selbst als ihn dieser verrät. Am Ende hat Franz im Irrenhaus eine spirituelle Begegnung. Reue und «Wiedergeburt» scheinen jetzt möglich, wenn auch unter den Vorzeichen einer veränderten Welt.
Peter Kastenmüller gründete in München die freie Theatergruppe Particular Order und arbeitete als Regisseur u.a. am Schauspielhaus Leipzig, am Staatstheater Kassel und am schauspielhannover, wo er bereits Vladimir Nabokovs «Lolita» dramatisierte. Zurzeit inszeniert Kastenmüller am schauspielfrankfurt und an den Münchner Kammerspielen. Dort erregte sein über zwei Spielzeiten laufendes Stadtprojekt «Bunny Hill» grosse Aufmerksamkeit.