1908 – zwischen den Jahren – in Messina: Niemand weiss, wo das Gerücht eines bevorstehenden Erdbebens zuerst auftauchte. Doch plötzlich ist es in aller Munde; Plakate warnen, Spielfilme künden von einer drohenden Katastrophe. Auch im heruntergekommenen Palazzo der Signora Lucchesi sind die Menschen aufgewühlt, obwohl sie das Thema Erdbeben tunlichst vermeiden. Im Kern der Familie gärt es: Lina, die Tochter des Hauses, bewegt sich am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Sie soll mit dem Arzt Marco auf Erholungsreise, um sich von ihrer Ehe mit dem schwerkranken Attilio zu erholen. Darüber hinaus erhofft sich Lina die Chance auf ein neues Leben, denn der mondäne Neapolitaner Marco unterscheidet sich angenehm aber auch gefährlich von den Familienmitgliedern, die alle nur noch einen Abklatsch einstiger sizilianischer Grandezza darstellen.
Doch noch liegt die Abreise in der Ferne zweier sich endlos hinziehender Tage, an denen sich zunehmend eine Atmosphäre der Panik und Hysterie in den alten Mauern des Palazzos verbreitet: Ein junges Liebespaar verbarrikadiert sich in einem Zimmer, der taubstumme Stefano wandert nachts über den Flur und verhält sich immer seltsamer. Wie ein Menetekel beunruhigt er die anderen, die sich von seiner instinktiven Hellsichtigkeit bedroht fühlen. Die jüngste Tochter – scheinbar glücklich verlobt – entbrennt in rasender Leidenschaft zu Marco. Und alles endet oder beginnt in einer Nacht der allgemeinen Schlaflosigkeit, in der die Zeit, wie um noch ein letztes Mal vor der Katastrophe Atem zu holen, stehen zu bleiben scheint.
Julien Green, 1900 als Sohn amerikanischer Eltern in Paris geboren, erlebte den Ersten Weltkrieg auf amerikanischer Seite an der italienischen Front. Nach dem Zweiten Weltkrieg, während dem er von Amerika aus die «Résistance» unterstützte, kehrte er nach Paris zurück. Er verfasste Tagebücher, Romane («Mont-Cinère», «Adrienne Mesurat» und «Leviathan») und Theaterstücke, darunter 1975 «Ein Morgen gibt es nicht». Julien Green erhielt mehrere literarische Auszeichnungen und wurde 1972 als erster Nichtfranzose Mitglied der Académie Française, die er 1997 wieder verliess. Er ist 1998 in Paris gestorben.