Ihre ganze neunzehnjährige Ehe war ein verschleierter Abgrund. Das kann Frau Alving zehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes unumwunden zugeben, wenn auch nur im allervertrautesten Kreis, zu dem der von ihr schon seit Jahrzehnten verehrte, wenn nicht gar geliebte Pastor Manders gehört. «Er starb so ruchlos, wie er gelebt hat» sagt sie über ihren Ehemann. Nach aussen hingegen hat sie vor, ihrem Mann posthum ein Denkmal der Rechtschaffenheit und Wohltätigkeit zu setzen - in Form eines aus Familienmitteln erbauten Kinderheims. Aus Anlass der feierlichen Einweihung hat sich auch der einzige Sohn Oswald, der in Paris ein Künstlerleben führt, auf dem elterlichen Landgut in der norwegischen Provinz eingefunden. Als Frau Alving hören muss, wie er im Speisezimmer - an eben jenem Ort, an dem sie vor Jahrzehnten ihren
Mann mit dem Dienstmädchen Johanne überrascht hatte - mit der jungen Regine flirtet, die, ohne es zu wissen, Oswalds Halbschwester aus eben jener Verbindung ist, hat Frau Alving einmal mehr das Gefühl, von Gespenstern umgeben zu sein. Immer tiefer führen die Gespräche im Hause Alving in das Dunkel der Vergangenheit. Als auch noch das Kinderheim niederbrennt, das die auf einem Berg von Lebenslügen erbaute Reputation der Familie Alving befestigen sollte, stürzt die Fassade entgültig ein. Regine verlässt das Haus, als sie erfährt, wer ihr wirklicher Vater war. Sie folgt ihrem Stiefvater Engstrand, der mit ihr als Attraktion
ein Seemannsbordell eröffnen will, das der tugendliebende Pastor für ein Seemannsaltersheim hält und das er daher mit Alvingschen Stiftungsgeldern finanziert. Oswald überlebt die Tragödie nicht und stirbt am Ende geistig umnachtet. Sein letztes Wortist «Sonne».
Ibsen schrieb mit «Gespenster» sein wohl düsterstes Werk. Das Endstadium einer Familientragödie. «Gespenster» ist nach «Szenen einer Ehe», «Helden des 20. Jahrhunderts » und «Orestie» die vierte Inszenierung von Tom Kühnel am Theater Basel.