Unzählige Autoren haben sich mit dem antiken Amphitryon-Stoff auseinandergesetzt - wahrscheinlich aber keiner auf rätselhaftere Weise als Heinrich von Kleist, der seine Figuren in verstörendste Verwirrungen über angebliche Wahrheiten stürzen lässt und mit seinem «Amphitryon» die Frage nach dem untrüglichsten, dem innersten Gefühl des Menschen ins Zentrum stellt.
Jupiter, der höchste aller Götter, hat in Gestalt des thebanischen Feldherrn Amphitryon mit dessen Gemahlin, der schönen Alkmene, eine unvergleichliche Liebesnacht verbracht. Als Amphitryon tags darauf nach seinem Sieg über die Athener aus dem Krieg nach Hause kommt, muss er erfahren, dass er offenbar bereits die vorherige Nacht bei seiner Gattin verbracht hat. Nicht nur Alkmene gerät über den tragischen Zweifel, ob sie mit ihrem richtigen Gemahl zusammen war oder nicht, in eine verstörende Gefühlsverwirrung. Der Widerspruch zwischen unfehlbarem inneren Gefühl und täuschender Wirklichkeit führt zu Missverständnissen und Identitätszweifeln. Nach einer Konfrontation der beiden scheinbaren Gatten gibt sich Jupiter schliesslich unter Donner und Blitz als Gott zu erkennen. Alkmene sinkt ohnmächtig zu Boden und lässt das Stück mit dem wohl berühmtesten Seufzer der Weltliteratur enden: «Ach!»
Kleists 1806/07 entstandene Bearbeitung von Molières Lustspiel «Amphitryon» spielt mit dessen Mitteln der Verwechslungskomödie - zeigt aber gleichzeitig die Konfusion durch den paradoxen Zwiespalt von Gott und Mensch, Treue und Untreue, Täuschung und Untrüglichkeit des reinen innersten Gefühls. «Ist diese Hand mein? Gehört das Bild mir, das der Spiegel strahlt?» zweifelt Alkmene und stellt damit nicht nur die Frage nach der eigenen Identität, sondern sucht viel grundsätzlicher nach der Wahrheit in einer durch Sein und Schein verwirrten Welt.
Es inszeniert die Basler Regisseurin und Musikerin Barbara Frey, von der am Theater Basel zuletzt «Drei Mal Leben» und «Die sexuellen Neurosen unserer Eltern» zu sehen waren.