Das Stück ist ein Monumentalwerk der Weltliteratur, das mit Goethes "Faust" verglichen wurde. Dass es trotzdem im deutschsprachigen Raum nur selten gespielt wird, hat vermutlich mit dem immensen Volumen dieses Epos zu tun: 54 nur lose zusammenhängende Szenen, gegliedert in "Vier Tage" (Akte) entführen den Zuschauer an die verschiedensten Orte der Welt und konfrontieren ihn mit einem schier unüberschaubaren Personal, bestehend aus historischen und fiktiven, realistischen und märchenhaften, komödiantischen und tragischen, menschlichen und symbolistischen Figuren.
Hauptschauplatz der barocken Handlung ist das Spanien von Philipp II. an der Wende des 16. zum 17. Jahrhunderts. Der ehemalige Novize eines Jesuitenklosters und ehrgeizige Abenteurer Don Rodrigo verliebt sich unsterblich in Doña Proeza, die Gattin des höchsten königlichen Richters. Sie erwidert seine Gefühle, doch gehindert durch den heiligen Bund der Ehe, muss sie ihm entsagen. Enttäuscht darüber, entspricht Don Rodrigo der Aufforderung des Königs, ihn in Südamerika als Vizekönig zu vertreten und beginnt mit dem Bau des Panamakanals, der die beiden Ozeane verbinden und damit die Welt erweitern soll.
Doña Proeza verschlägt das Schicksal unterdessen nach Mogador in Marokko, wo sie das Kommando über die Befestigungsanlage erhält, aber nur durch Prostitution ihres Leibes den nihilistischen Don Camillo in Schach halten kann, der dort als Pirat sein Unwesen treibt. In einem Brief fleht sie Don Rodrigo an, ihr zu Hilfe zu eilen, doch erhält dieser ihn erst mit zehnjähriger Verspätung. In einer Begegnung mit ihrem Schutzengel musste Dona Proeza inzwischen einsehen, dass sich ihre Liebe zu Rodrigo auf Erden nicht erfüllen würde und als dieser schliesslich in Mogador ankommt, ist Doña Proeza bereits entschlossen, sich im Kampf gegen die anstürmenden Mauren zu opfern. Sie hinterlässt ihm eine Tochter, die zwar von Don Camillo gezeugt wurde, im ideellen Sinne aber Rodrigos Kind ist, da sie im Geiste immer bei ihm weilte.
Am Ende, nach einem gescheitertem Versuch, Japan zu erobern und als Vizekönig das England der Königin Elisabeth zu beherrschen, ist Rodrigos Leben im wahrsten Sinne keinen Groschen mehr wert. Jetzt erst, als er erkennt, dass seine Liebe zu Doña Proeza sich nur in der Liebe zu Gott erfüllen kann, ist seine Seele reif für die Seele Doña Proezas, die im Himmel auf ihn wartet. Das Motto des Stückes "Gott schreibt gerade, auch auf krummen Zeilen" hat sich somit erfüllt.
Im Zentrum dieses gewaltigen Panoramas steht das christliche Mysterium von der Freude an der Entsagung und der Gnade. Doch trotz seiner erzkatholischen Botschaft will der Autor kein frommes Weihespiel, sondern widmet sich mit sinnlicher Wucht dem Diesseitigen. Er entwirft ein lebensbejahendes Welttheater, in dem - nach eigenen Aussagen - "alles provisorisch" aussehen soll, "im Aufbruch, vom Zaun gerissen, planlos, improvisiert in der Begeisterung!".
ü Der französische Dichter Paul Claudel (1868-1955) studierte an der Sorbonne Jura, Orientalistik und Politik und war Zeit seines Lebens im diplomatischen Dienst tätig. Obzwar katholisch getauft, fand er erst als Achtzehnjähriger durch ein Erlebnis beim Besuch einer Messe in Notre-Dames zum wahren Glauben: um "ein geeignetes Reizmittel und den Stoff für ein paar dekadente Übungen" zu finden, betrat er die Kirche, um sie als glühender Katholik wieder zu verlassen: "Ich hatte plötzlich das durchbohrende Gefühl der Unschuld, der ewigen Kindschaft Gottes, einer unaussprechlichen Offenbarung". Mit seinem missionarischen Eifer stellt Claudel ein Unikum unter den Dramatikern des 20. Jahrhunderts dar.
Die Aufführung dieses Hauptwerks von Paul Claudel in der Neuübersetzung von Herbert Meier ist eine Koproduktion mit der erstmals stattfindenden Ruhr-Triennale unter der Leitung von Gerard Mortier.
Mit dieser exklusiven und aufwändigen Foyer-Produktion verabschiedete sich Schauspieldirektor Stefan Bachmann von Basel.