Die Künstler haben ihn sofort als ihresgleichen erkannt. Jean Dubuffet gab ihm den Titel "le grand Wölfli", Rilke gewann durch seinen "Fall" Aufschlüsse über den Ursprung des Produktiven überhaupt. Fünfunddreissig Jahre lang sass Adolf Wölfli (1864-1930) in der psychatrischen Klinik Waldau bei Bern ein. Der als schizophren diagnostizierte ungelernte Hilfsarbeiter war wegen Notzuchtsversuchen an Kindern inhaftiert worden. In der und durch die Krankheit wird er zum Künstler, zum Errichter einer Scheinwelt, in der er als kleiner Doufi mit der "Schweizerischen Jäger- und Naturvohrscher-Gesellschaft" unzählige Reisen, Abenteuer, Schiffsunglücke, Kämpfe mit Wilden etc. erlebt. Im Namen von Forschung und Fortschritt werden die bereisten Erdteile, später auch der Himmel, inventarisiert und sich durch konsequente Umbenennung angeeignet. Zeichnend, schreibend, komponierend, eigene Zahlensysteme erfindend, entsteht eine eigene hochkomplexe St.-Adolf-Riesenschöpfung. Sie ist sein Lebenswerk. Bis zuletzt hat er fieberhaft an ihr gearbeitet. Bei seinem Tod hinterliess er 25 000 eng beschriftete Blätter, deren mühsame Transskription den Blick auf eine der waghalsigsten Kopfreisen und Gedankenkonstrukte des 20. Jahrhunderts freilegte.
Gemeinsam mit Schauspielern und Musikern wird Ruedi Häusermann ein Porträt dieses Ausnahmekünstlers zeichnen.
Ruedi Häusermann, Komponist, Musiker und Theatermann hatte in der letzten Saison als zweite Eröffnungspremiere eine ‚Opera Conserva' mit dem Titel "Trübe Quellenlage" uraufgeführt. Für seine erste Arbeit in der Komödie "Das Beste aus Menschliches Versagen (Folge I)" erhielt das Theater Basel den höchst dotierten deutschen Theaterpreis, den Bayerischen Theaterpreis.
Häusermanns Abende lassen sich immer auch als theatralische Forschungsreisen betrachten, als Auslotung verschiedener Sprachen oder als das Ergebnis einer Neugier, was passiert, wenn man scheinbar unvereinbare Welten miteinander konfrontiert - sowohl in der Arbeitsweise als auch in dem, was sich später auf der Bühne präsentiert. Häusermann lockt das unbekannte Terrain, locken die Grenzgebiete - das ist sein Antriebsmotor - doch, weiss er lachend zu betonen, ist die Suche nach den Grenzen ein hartes Geschäft. Judith Gerstenberg