Gianni Schicchi/Le Rossignol

Oper

Puccinis turbulente Komödie nimmt Habgier und Heuchelei der lieben Verwandten aufs Korn: Am Totenbett des reichen Buoso Donati übertrifft man sich gegenseitig an Anteilnahme - und denkt doch in Wahrheit nur daran, wer wohl den fettesten Anteil am Erbe erhalten wird. Als sich herausstellt, dass Buoso statt seiner Verwandten ein Kloster mit seinem Vermögen bedacht hat, macht sich Entrüstung breit. Der einzige Ausweg scheint ein Betrug. Der gerissene Gianni Schicchi soll, verkleidet als Buoso Donati, ein neues Testament aufsetzen. Doch Schicchi ist noch gerissener, als die habgierige Verwandtschaft dachte: In der Rolle des Buoso Donati vermacht er den Löwenanteil des Erbes - wem? Sich selbst! Da alle gleichermassen an dem Betrug beteiligt waren, müssen auch alle stillhalten, sonst droht - »Addio, Firenze!« - die Verbannung.

Puccinis »Gianni Schicchi« und Strawinskys »Rossignol« verbindet die Sicht auf eine geteilte Welt: In Puccinis hintergründig-witzigem Einakter sind es einzig Lauretta, Gianni Schicchis Tochter, und Rinuccio, die sich, ganz im Gegensatz zu ihren Verwandten, nicht ums Erbe scheren - sie brauchen zum Glücklichsein nur die Liebe - und einander.

Und in Strawinskys poetischem musikalischen Märchen »Le Rossignol« triumphiert die Nachtigall über eine Gesellschaft, die der Natur misstraut und den materiellen Besitz allen anderen Reichtümern vorzieht - hierin den Verwandten Buoso Donatis höchst ähnlich. Mit ihrem zauberhaftem Gesang rührt die Nachtigall nicht nur den mächtigen Kaiser zu Tränen - was der künstlichen Nachtigall nicht gelingt; als der Kaiser schon im Sterben liegt, verzaubert sie sogar den Tod und gibt dem Kaiser neue Kraft zum Leben.