Schauspiel nach Goethe In einer Fassung von Stefan Bachmann und Lars-Ole Walburg
Stückinfo
Das Erstaunlichste an Wahlverwandtschaften: sie lesen sich ohne die dem Klassiker gegenüber übliche Distanz. Ein Grund für die waghalsige Unternehmung, den Stoff für die Bühne zu bearbeiten. Wobei Atmosphäre, epische Konstruktion und die Verwobenheit des Werkes zur Grundlage der Dramatisierung wurden. Dieser vielleicht erste moderne Roman offenbahrt dabei eine große theatralische Kraft. Sein Konfliktpotential ist, auch heute noch, ein uns sehr vertrautes. Es geht um Liebe und Moral. Es geht um die Frage, wieweit Gefühle eingestanden und öffentlich gemacht werden dürfen. Goethes Figuren reiben sich an der Diskrepanz zwischen Fühlen und eingelerntem Denken. Ihre Triebe stürzen sie in ungeahnte Abgründe, die mit den anerkannten Prinzipien kollidieren. Innerhalb der reagenzglasartigen, behaglichen Versuchanordnung Goethes kündet sich ein Sturm an. Sturm im Wasserglas! Sein Losbrechen reißt die bürgerliche Fassade fort und beweist die Lebensfeindlichkeit der einstudierten Verhaltensmuster. Doch anstatt die Regeln in Frage zu stellen, ordnen sich die Verwirrten ihnen bis zur Selbstaufgabe unter. Die Sucht nach Sicherheit, die Furcht vor jedem Risiko läßt die Emotionen verkümmern, wird zum todbringenden Selbstläufer. Die Fassade der "heilen Welt" gerät zur Farce, hinter der die nach innen und außen bis aufs Blut verteidigten Regeln und die sie begleitenden Verluste sichtbar werden.
