Szenische Uraufführung
Rainer Maria Rilke überarbeitete seine Prosadichtung «Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke» zweimal, bevor sie 1906 in Buchform veröffentlicht wurde. Die erste Niederschrift entstand 1899 zwischen Rilkes beiden Reisen nach Russland, auf denen ihn die Kunst und Literatur des Landes, und insbesondere die russischen Heldenepen, stark beeindruckten. Die eigentliche «stoffliche Veranlassung» lag aber nach Rilkes eigener Aussage in einem Aktenauszug aus dem Königlich Sächsischen Hauptstaatsarchiv, der in einer Kopie seines Onkels Jaroslav in seine Hände gelangte. Jaroslav Rilke suchte Dokumente, die eine adlige Herkunft der Familie belegen sollten und stiess dabei auf das ungarische Geschlecht der «Rülcke zu Linda» und eine Erbregelung, derzufolge ein Christoph Rülcke, Bruder des Otto Rülcke, 1660 im österreichischen Heer im Range eines Cornets, d.h. eines Fahnenträgers, umgekommen war. In Rilkes Dichtung stirbt der Held im ersten österreichischen Türkenkrieg 1663/64.
«Reiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag. / Reiten, reiten, reiten. / Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsucht so gross. Es gibt keine Berge mehr, kaum einen Baum. Nichts wagt aufzustehen. Fremde Hütten hocken durstig an versumpften Brunnen. Nirgends ein Turm. Und immer das gleiche Bild.» Rilkes Versepos erzählt die Geschichte des jungen Soldaten von der Ernennung zum Fahnenträger (Cornet) bis zum einsamen Tod in der Schlacht. In seiner Todesnacht erlebt er die Liebe, die letzte Lust. Der Morgen reisst ihn aus seiner Selbstvergessenheit: er rettet die Fahne aus dem brennenden Schloss und wirft sich unter die Feinde. Zurück bleiben das Rosenblatt, Erinnerung an das Leben und die Liebe, und der unabgesendete Brief an die Mutter.
Der Komponist Frank Martin vertonte den von ihm gekürzten Text des «Cornet» 1942/48. Obwohl die Sprache Rilkes sich mit ihrer Spannung zwischen Prosa und Lyrik einer Vertonung nicht unmittelbar anbot, war Martin, der im Alter von 52 Jahren auf das Werk stiess, sofort davon fasziniert. Der in Genf geborene Schweizer Komponist hatte nach der Ablösung von Vorbildern aus der französischen Romantik über die Beschäftigung mit Schönberg und der Zwölftontechnik zu einer ganz eigenen musikalischen Sprache gefunden. Seine Musik folgt der Sprache Rilkes detailgenau und emotional, ohne unselbständig zu sein. 1945 wurde das Werk in Basel durch Elsa Cavelti und das Basler Kammerorchester unter Paul Sacher uraufgeführt. Seither ist es wegen der grossen Anforderungen, die es an seine Interpreten stellt, selten gespielt worden.
Joachim Schlömer wird «Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke» mit dem TanzTheater Basel, dem Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Stefan Lano und dem Mezzosopran Hedwig Fassbender inszenieren. Die Aufführung kreist um die Symbole der erotischen Liebe und der Liebe zur Madonna / Mutter sowie die Zeichen des Todes, als da sind: das Rosenblatt, der Brief, die Madonna, die Fahne. Mit der choreographischen Umsetzung einer vorgegebenen Geschichte knüpft er an einen Strang seiner Arbeit an, den in der ersten Spielzeit am Theater Basel Glucks «Orfeo ed Euridice» darstellte.