Tosca
Oper

Melodramma in drei Akten nach dem Schauspiel «La Tosca» von Victorien Sardou
Text von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
Musik von Giacomo Puccini

Stückinfo

«Lieber Caselli,
diese Schmetterlinge können dazu dienen, Dir eine Vorstellung von der Flüchtigkeit des menschlichen Daseins zu geben. Ihre Leichen mögen Dich daran erinnern, dass wir alle am Abend tot hinsinken müssen; während mein Gehirn in diesem tiefen Schweigen sich abmüht, die rechten Farben für die römische Heroine zu finden, spiele ich den Henker an diesen armen leichtlebigen Kreaturen.» 
Giacomo Puccini an Alfredo Caselli, 2 Uhr nachts, 18. August 1898

«Orte, von aussen durchquert.
Überall Türen, die sich öffnen zu Hitze, Sonne, Morgendämmerung oder Nacht. Orte, Winkel, Treppen und eine Frau, die sie in grösster Hast durchquert. Ausser Atem steigt Tosca die Treppen der Engelsburg hinauf, in der Hand Scarpias Geleitbrief. Tosca, um Luft ringend — wie gelingt es der Sängerin nur, so schnell zu laufen?  rennt zu dem kleinen, von Thymian umdufteten Haus, verfolgt von Scarpias Häschern. Tosca läuft eilig, schnell, tritt auf, geht ab. Unaufhörlich. Als sei sie begierig, nicht zu gehen, in einem wahnsinnigen Lauf gehalten von einem Faden, einem am Abgrund schwingenden Faden.

Tosca, Abgrund. Abgrund der Stimme einer Sängerin, die im Leben auf der Bühne — die Rolle einer Sängerin spielt, der opernhafte Dinge zustossen. Tosca, die Oper — Abgrund einer Stimme, die Männerstimmen erklettert und durchquert, eine einzige Frauenstimme, bedrängt von allen Seiten. Tosca, die dazu verurteilt ist, sich hinabzustürzen, in eben der Bewegung, die eine Stimme von Höhen zur Tiefe stürzen lässt. Von ganz Rom verurteilt, das sich bemüht, sie zum Abgrund hinzuziehen, zum Abgrund der Höhen und der Ebenen, der Anhöhen, der Tiefen, auf- und niedersteigend wie Tonleitern. Die Unschuld eines Gesangs ist es, der sich vom Anfang zum Ende stürzt. Es ist ein Anteil der Unschuld, ausser Atem auf eine unbekannte Bestimmung hinzulaufen.

Das ist Tosca: der wahnsinnige Lauf des Gesangs und der Eifersucht, die raschen Füsse der Leidenschaft, Auftritte, Abgänge. Und, wenn sie von ungefähr nicht auf der Bühne steht, dann füllt ihre Sängerinnenstimme, «la sua voce», den äusseren Raum, und plötzlich erstarrt alles, als mache sie Männer, Sänger, ebenso unbeweglich wie das politische Drama, das für einen absoluten Augenblick durch die Macht dieser einzigen, einzigartigen Frau unterbrochen wird.» Catherine Clément, «La sua voce» oder «con una specie di violenza . . . »
 

Premiere

18. April 1993