Opera buffa in zwei Akten von Felice Romani
Musik von Gioacchino Rossini
Stückinfo
Rossini, divino Maestro, Helios von Italien, der du deine klingenden Strahlen über die Welt verbreitest! Verzeih meinen armen Landsleuten, die dich lästern auf Schreibpapier und auf Löschpapier! Ich aber erfreue mich deiner goldenen Töne, deiner melodischen Lichter, deiner funkelnden Schmetterlingsträume, die mich so lieblich umgaukeln, und mir das Herz küssen wie mit Lippen der Grazien! Divino Maestro, verzeih meinen armen Landsleuten, die deine Tiefe nicht sehen, weil du sie mit Rosen bedeckst, und denen du nicht gedankenschwer und gründlich genug bist, weil du so leicht flatterst, so gottbeflügelt!
Heinrich Heine
Der Poet Prosdocimo sucht einen passenden Stoff für seine neue Oper. Der Ehemann Don Geronio ist auf der Suche nach seiner Frau. Die Türkin Zaida sucht in Italien Schutz vor ihrem Geliebten, dem Prinzen Selim. Der sucht am gleichen Ort nach neuer Lust. Und Donna Fiorilla sucht der Langeweile der Ehe in einem weiteren Abenteuer zu entgehen. Ihr Hausfreund Don Narciso sucht sich selbst — und Albazar den Tod in der Fremde. Sie alle finden in Rossinis Oper die Quintessenz des Theaters — das «Abbild des wahren Lebens», das der Poet im Leben von Opernzigeunern zu finden hofft.
«Gottbeflügelt» erzählt Rossini hinter der alten Geschichte von der frivolen Gattin und dem gehörnten Ehemann vom Korsett bürgerlicher Moralvorstellungen, das sich um so fester um die Suchenden schnürt, je freier und unabhängiger sie sich davon wähnen. Den wenigen Momenten einer Komposition von Trauer und Sehnsucht stehen die scheinbar «kindischen» Crescendi, der ostinate, maschinenmässige Rhythmus, die endlos repetierten, kurzen Streicherfiguren gegenüber — und bezeugen beredt das, was spätere Interpreten der bürgerlichen Gesellschaft Entfremdung nennen werden, Verdinglichung der Gefühle zumal, die gehandelt werden wie Waren. Und Entfremdung kennzeichnet selbst die Ebene, die einen überragenden Erfolg bei der Uraufführung des Werkes am 14. August 1814 am Teatro alla Scala in Mailand verhinderte: Die geniale, für jene Jahre aber vielleicht ungewöhnliche Handlungsebene des Poeten, der um einer besonders effektvollen Oper willen Menschen in Verwirrung und Entsetzen stürzt. Aber auch er ist im entscheidenden Moment nicht dabei: die Katastrophe in «seinem» Stück passiert ohne ihn. Das «wahre» Bühnenleben erweist sich allemal als stärker. Dennoch macht gerade die «offene» Dramaturgie den besonderen Reiz des ironischen, bös-heiteren Geschehens in einer Oper aus, die an theatralische Prinzipien Luigi Pirandellos oder an die heutigen eines Woody Allen erinnern.