«Und als ich ganz da oben stand und den Kranzüber die Wetterfahne hängte, da sagte ich zu ihm: Hör zu, du Mächtiger! Von heute an will auch ich ein freier Baumeister sein. Auf meinem Gebiet. Wie du auf deinem. Ich will nie mehr Kirchen bauen für dich. Nur noch Heime für Menschen.»
Baumeister Solness gehört zu den letzten Stücken Henrik Ibsens, und wie in ‹John Gabriel Borkmann› und ‹Wenn wir Toten erwachen› steht ein alternder Mann im Zentrum. Hier ist es der Baumeister Solness, der, in der Neige seines Lebens begriffen, zugleich auf der Höhe seiner Laufbahn ist. Der Baumeister wird von einem Schuldgefühl gegenüber seiner kränklichen und wenig belastbaren Frau geplagt, denn ihr Glück war es, mit dem er damals seinen Erfolg bezahlen musste: als nämlich ihr Elternhaus abbrannte und ihre gemeinsamen Kinder an den Folgen des Brandes jung starben. Diese traurigen Ereignisse legten den Grundstein zu seiner Karriere, machten ihn aber nicht dankbar und grossherzig, sondern pflanzten vielmehr die fixe Idee in ihm, dass nur er allein berechtigt wäre zu bauen. Bereits seinen Assistenten Knut Brovik hat er für seine Zwecke gebunden, und jetzt hindert er mit allen Mitteln auch Broviks Sohn - dessen Begabung er nicht ohne Schaudern erkennt - an seiner beruflichen und menschlichen Emanzipation.
Seit damals will Solness nur noch «Heime für Menschen» bauen; allein ihm selbst scheint ein Heim nicht vergönnt zu sein, das empfindet er als Preis für seinen Stolz. Indes hat er das deutliche Gefühl, dass eines Tages die Jugend bei ihm anklopfen und ihn zum Abtreten zwingen werde. Nichts fürchtet er mehr als dies; und doch sehnt er vielleicht auch nichts stärker herbei. Das begreift er, als eines Tages die junge Hilde Wangel vor seiner Tür steht - sie, der Solness vor zehn Jahren, als er seine letzte Kirche baute und sie fast noch ein Kind war, versprochen hatte, sie als Prinzessin in sein Königreich zu entführen. Damals war der doch schwindelanfällige Baumeister auf die höchste Spitze des frisch erbauten Kirchturms gestiegen, ein Bild, das Hilde immer im Gedächtnis behalten hat. Nun ist sie gekommen, um jene Verheissung einzulösen. Solness fühlt sich hin und her gerissen zwischen dem Haus für sich und seine Frau, das kurz vor seiner Vollendung steht, und den Luftschlössern, zu denen Hilde ihn verführt.