Der Professor und seine neue Studentin. Es ist die vierzigste – und wahrscheinlich auch nicht die letzte in seinem Privatunterricht. Man nimmt die verschiedensten Gegenstände durch, in allen beweist die Schülerin Naivität und Ehrgeiz gleichermassen. Geografie, Arithmetik und vor allem die Tücken der Philologie entpuppen sich als hervorragende Leidenschaften des Herrn Professors. Die Macht des Wissens verleiht Überlegenheit, kann aber auch zur Verwirrung und Ablenkung der Studentin eingesetzt werden. Die Übung macht’s und in der Übung erweist sich der Meister. Eben noch aufmüpfig entwickelt das Mädchen ein Symptom: Zahnschmerzen, die sie zusehends kleinlauter werden lassen.
Ionesco macht in «Die Unterrichtsstunde» aus einer Lektion, einer Lehreinheit, ein zutiefst komisches Drama. Einmalig lässt Ionesco Sprache zur Pointe werden und Konversation zur schwerverdienten Lust. Aber mehr noch als eine Farce auf das höhere Bildungsstreben gerät das Stück zu einem bissigen Vampirstück.
Noch in seiner Pariser Zeit hatte Werner Düggelin Eugène Ionesco kennengelernt.
Nach «Opfer der Pflicht» und «Amedée oder die Pflicht» hat er nun auch Ionescos «Unterrichtsstunde» neu übersetzt.
2009 inszenierte er Ionescos erstes Theaterstück «Die kahle Sängerin» am Theater Basel. Schon da haben Düggelins profunde Kenntnis und sein feines Gespür für den perfiden Witz und die freche Absurdität Ionescos diesen 50er-Jahre-Klassiker zu einer Neuentdeckung gemacht. Zu den absurden Klassikern zählt auch Jean Tardieu, Zeitgenosse Ionescos. Mit seiner «Sonate» gibt Düggelin der «Unterrichtsstunde» noch ein Vorspiel: einen hellsichtig unsinnigen und sehr musikalischen Einakter.