Schweizer Erstaufführung
LUIS ALONSO: Ich brauche keine Phantasie, für nichts in al/er Welt; doch beim Tanzen, und darauf bin ich stolz, beim Tanzen und in den Bewegungen, da macht mir keiner etwas vor, da nimmt es keiner mit mir auf.
Luis Alonso ist ein begnadeter Tänzer, ein erfolgreicher Tanzlehrer mit eigener Schule in Cádiz, im Stadtteil Puerta de Tierra. Man schreibt das Jahr 1840. Luis Alonso geht auf die fünfzig zu — und der spröde Junggeselle gedenkt zu heiraten. Seine Auserwählte ist die junge, lebenslustige María Jesús, umschwärmt von Miguelito, Tarugo, Tinoco, Gabrié und Der aufmerksame Theaterkenner ahnt den Gang der Handlung, der zweite Teil des Titels verspricht nicht zu viel.
Herbert Wernicke hat bei seiner fünften Beschäftigung mit der Operette am Theater Basel etwas Besonderes entdeckt und zwei einaktige Zarzuelen von Gerónimo Giménez zu einem Abend im Foyer verbunden. Die musikalische Einrichtung wird wieder von Franz Wittenbrink, der schon «Die Fledermaus» für ein Kammerorchester adaptierte, gemacht.
Die beiden Stücke wurden 1896 bzw. 1897 am Teatro de la Zarzuela in Madrid uraufgeführt und sind sogenannte Sainetes firico, lyrische Schwänke, Theaterstücke mit Musik. Sie unterscheiden sich darin von den grossen Opernzarzuelas, die zwar auch mit unserer Operette zu vergleichen sind, aber in jedem Fall zur Realisierung die Grosse Bühne und den Opernsänger brauchen. La Zarzuela (das sind Brombeeren) ist ein Schloss unweit von Madrid, in dem, von Zarzuela-Sträuchern umgeben, im 17. Jahrhundert eine Theaterform erfunden wurde, die seither nach dem Ort ihrer «Erfindung» «Zarzuela» heisst. Calderón und Lope de Vega schrieben Theaterstücke, die, wie Shakespeares Theaterstücke, mit Musik aufgeführt wurden. Aus ihnen entwickelte sich in England die Masque Henry Purcells, in Spanien die Zarzuela Sebastián Duróns. Die folgenden Jahrhunderte vergassen über der Begeisterung für die italienische Oper die Zarzuela, bis endlich am Ende des 19. Jahrhunderts diese spezifisch spanische Theaterform wiederentdeckt wurde. Spanische Folklore fand jetzt Eingang in die Kompositionen und im Grunde ist das auch das Thema unserer beiden Zarzuelen. Mitteleuropäische Tänze wie Walzer, Polka oder der Schottische, für die sich Tanzlehrer Alonso in seiner Schule einsetzt, stossen auf den mitreissenden Rhythmus der Jota, auf Habanera oder Seguidilla im schillernden Klangkolorit. Ein echter «Canción de la gitana» im Tonfall der andalusischen Heimat, schliesslich originale quadrillenähnliche Lanceros, der Schwung des Flamencos, die Grandezza eines Fandango, sie begleiten den weltläufig-tanzwütigen Pantalone Don Alonso in eine erfolgreiche Hochzeitsnacht im Foyer des Theater Basel.